Cold Zero

17.7.2008

 

Strategie- oder sogar Rollenspiel ist im Internet manchmal zu lesen, Action/Taktikspiel, wie es im Handbuch steht, trifft die Sache besser. Es gibt nur einen Typen, den man spielen kann und aus. Dialoge laufen als Skripts ab, verschiedene Antwortmöglichkeiten gibt es also gar nicht. Die Fertigkeiten, die man im Lauf des Spiels verbessern kann, sind rein technisch-kämpferischer Natur, keine Rede von Charakterentwicklung. Aber selbst davon gibt es nur acht, also alles etwas spartanisch, genauso wie die Grafik, die kurzen Videos und die geringe Handlungsfreiheit.

Nur bei der Erledigung der Missionen hat man die Wahlfreiheit, wen der zahlreichen Gegner man zuerst ausschaltet und wie: Messer, Schläger, Hacke oder doch lieber auf Distanz bleiben und zu einer Schusswaffe greifen, vielleicht aber auch zu Handgranaten?

Also doch ein Rollenspiel: die Rolle der Killermaschine. Keine Fragen, kein Gequatsche, keine nervigen Begleiter. Es soll Leute geben, die sich in dieser Rolle wohlfühlen, zumindest bei Spielen. Das Drumherum ist also mehr als bizarr, ein Hollywood-Filmthema in polnischer Version, und die Russen sind die Bösen. Na gut, nicht nur die Russen, auch die Chinesen, die Lateinamerikaner, die Straßengangs und die Italiener. Wurde irgendein Vorurteil ausgelassen?

Aber halt, die Italiener sind nicht ganz so schlecht, wie es ihre gepantschten Weine vermuten lassen. Der Don, seines Zeichens fettwanstiger Strechlimousinenbesitzer und örtlicher Mafiaboss, ist dein Auftraggeber. Und was unterscheidet die Italienische Mafia nun von den anderen? Sie mögen keine Drogen.

rofl *), sagt man da im Internet und wenn man sich vom Lachen erholt hat, kann man ja endlich zu spielen anfangen.

Der heilige Don, Schutzpatron aller Drogengegner, gibt uns also Aufträge die Drogenhändler zu jagen oder ihnen etwas abzujagen, zum Schutze der Menschheit versteht sich, weil von einer bestimmten Droge, mit dem klingenden Namen Cold Zero, wird man angeblich wahnsinnig. Wahrscheinlich so wahnsinnig, dass man gar nicht mehr daran denkt Schutzgelder an den örtlichen Schutzpatron zu zahlen. Jetzt kommst also Du ins Spiel oder Joe, wie Du nun heißt.

Die Missionen sind teilweise sehr schwierig und überhastetes Agieren führt fast immer zu Misserfolgen. Langsames Anschleichen, Planen, wie man vorgeht, in welcher Reihenfolge man die Gegner erledigt ist angesagt. Und häufiges Speichern. Denn trotz aller Planung sind jederzeit Überraschungen möglich. Das hängt teilweise damit zusammen, dass die Karten etwas unübersichtlich sind und die Kamerabewegungen sehr eingeschränkt. Teilweise aber auch mit der schwer vorhersehbaren Reaktion der Gegner, wenn geschossen wird, ob sie die Schüsse hören oder nicht, ob sie dann zusammenlaufen und dich womöglich einkreisen oder ob vielleicht gar niemand reagiert. Häufiges Speichern erspart viel Frust. Man kann zwar jede Mission neu beginnen, aber wer will das schon, wenn man sich schon Mal bis zum vorletzten Gegner durchgekämpft hat.

Auf eine Besonderheit sei im Zusammenhang mit dem Laden eines Spielstandes hingewiesen. Die Bewegungen der Gegner sind jedes Mal anders. Verlass dich also nicht darauf, dass ein Soldat, der zuerst ruhig an einer Ecke gestanden ist, nach dem erneuten Laden auch dort stehen bleibt, und einer der zuerst links herum gegangen ist geht das nächste Mal rechts herum usw.

Bei den meisten Karten siehst du auf der Minimap schon zu Beginn der Mission die ungefähre Position der Gegner, auch die Position der zu befreienden oder zu erbeutenden Ziele.

Die Missionen sind teilweise schwierig, häufiges Speichern ist also sinnvoll, wenn man nicht eine gesamte Mission von vorn beginnen will.

Die Charakterentwicklung ist mäßig ausgeprägt. Es gibt vier Basiseigenschaften und fünf Waffenspezialisierungen, die Du steigern kannst.

Jedes Mal, wenn du 500 Erfahrungspunkte gesammelt hast, bekommst Du 5 Punkte für Deine Eigenschaftsentwicklung. Das bleibt das ganze Spiel gleich. Bei den Eigenschaften brauchst Du aber für die nächste Stufe jeweils einen Punkt mehr. Um von Stufe drei in Stufe vier aufzusteigen brauchst Du vier Punkte, für Stufe 5 dann fünf Punkte usw. d.h. irgendwann musst Du Punkte horten um weiter aufsteigen zu können. Da aber die Gegner zahlreich sind und Du entsprechend viele Erfahrungspunkte sammeln kannst, kann Du in den meisten Kategorien recht hohe Level erreichen, so dass sich eher die Frage stellt, wo man zuerst Punkte investieren soll. Dazu mehr bei den Tipps.

 Einige Waffen kannst Du verbessern, wenn Du die geeigneten Erweiterungen (Schalldämpfer, Zielfernrohr etc.) und den benötigten Technik-Level hast. Insgesamt gibt es aber wenige Möglichkeiten.

Waffen zu kaufen ist selten sinnvoll, da man jede Menge, mehr als man tragen kann, auf den Missionen erbeutet.

Bei der sonstigen Ausrüstung gibt es noch die Medikits in drei Varianten und die Schutzwesten, ebenfalls drei verschiedene. Beides kannst Du beim Händler kaufen oder häufiger auf Missionen finden oder erbeuten. Weiters gibt es bei einem Händler noch drei verschiedene Tarnanzüge. In Summe etwas wenig Ausrüstung.

Bei den Kämpfen kommt es häufig zu einer fatalen Situation, die aber die Programmierer zu verantworten haben. Wenn du hinter einer Ecke lauerst und ein Gegner kommt auf Dich zu und beginnt zu schießen, so wirst Du getroffen. Wenn Du nun zurückschießt, triffst Du aber nicht. Echt Scheiße, wenn nur die Gegner um die Ecke schießen können.

Es gibt zwar die Möglichkeit durch drücken der Shift-Taste einen Schritt zur Seite zu machen und auf diese Weise einen Gegner hinter einem Hindernis zu treffen, das behebt den Nachteil aber nicht wirklich, schließlich braucht dieser Schritt Zeit, während Du bereits getroffen wirst. An einer Ecke oder hinter einem Baum sich anzuschleichen ist also stets gefährlich und widerspricht damit klar der Absicht des Spiels.

Die KI ist nur mittelmäßig. Manchmal reagieren die Gegner überraschend schnell, was natürlich auch von deinem Gang und deinen verwendeten Waffen abhängt, aber dann tauchen sie blitzschnell auf, oft in deinem Rücken. Die naturgemäß langsame Kameraführung ist in diesem Fall ein gewaltiger Nachteil. Zuerst Kamera drehen, dann die Spielfigur und Du bist tot bevor du reagieren kannst.

Patrouillierende Wachen ändern immer wieder Mal ihre Route, so dass sie nicht leicht auszurechnen sind. Andererseits fällt es ihnen nicht ein in Deckung zu gehen, wenn sie angeschossen werden. Wenn Gegner eine Leiche finden, bleiben sie neben dieser aufrecht stehen und schauen sich ratlos um: eine perfekte Zielscheibe und der nächste macht es wieder so und der übernächste auch.

Die Steuerung ist recht einfach und leicht durchschaubar, allerdings ist die Kameraneigung etwas zu stark eingeschränkt und das Zoom könnte eine Spur weiter wegzoomen.

Nicht gut gelungen ist das Wegblenden von Dächern bei Gebäuden. Meist muss man ein Gebäude erst betreten, um die darin befindlichen Gegner zu sehen. Das kann ein schwerer Nachteil sein, denn aufgrund der isometrischen Perspektive und der geringen Kameraschwenkung, können Dich Gegner, die in Hauseingängen stehen, schon sehen und beschießen, während du sie maximal als rote Dreiecke auf der Minimap wahrnehmen kannst.

Ähnliches gilt für das Laub der Bäume. Mangels Transparenz, siehst Du die Gegner nicht, weshalb Kämpfe in Wäldern besonders unangenehm sind. Dazu kommt, dass das Laufen dort nur schlecht funktioniert. Wegen des Laubs klickst Du praktisch blind auf eine Stelle, wo der Charakter sich hinbewegen soll. Ist sie aber nicht nichtbegehbar, bleibt er einfach stehen, ohne dass Du es merkst.

Aus unerfindlichen Gründen kann man meist nicht durch eine Fensterscheibe schießen, manchmal können es die Gegner aber doch, genauso wie sie manchmal durch Türen schießen können.

Schade ist auch, dass man nur wenige Gebäude, Container, Autos und was sonst noch herumsteht begehen kann. Es würde in vielen Fällen die Missionen abwechslungsreicher und spannender manchen.

Fazit: Kein schlechtes Spiel, aber mit hohem Frustrisiko und das nicht nur wegen des ohnehin hohen Schwierigkeitsgrades in vielen Situationen, sondern auch wegen des unnötigen „um-die-Ecke-Schießen“-Bugs. Etwas länger könnte es dauern, und mehr Waffen, Waffenerweiterungen und Ausrüstungsgegenstände wären gut. Auch bei der Charakterentwicklung wäre eine weitergehende Spezialisierung angebracht.

 
*) engl: Rolling On the Floor, Laughing", dt: "Ich wälze mich auf dem Boden vor Lachen"               (zurück zum Text)
Vergleichbare Spiele:
Splinter Cell
Cold Blood
Tipps
Waffen.xls

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